Visitenkarte unserer Gesellschaft

Den Zivilisierungsgrad einer Gesellschaft erkennt man daran, welche Spuren diese hinterlässt, wenn sie vorbeizieht. Dann wird ersichtlich, ob es eine Horde Wilde war, oder ob sie sich als zivilisiert bezeichnen darf.
Trotz unserer modernen Gesellschaft bliebt leider der Beweis einer zivilisierten Gesellschaft oftmals aus, wenn wir uns in großen Mengen versammeln. Vielmehr zeigt sich ein Bildnis von Gleichgültigkeit unserer Umwelt und unseren Mitmenschen gegenüber. In den Müllbergen spiegelt sich unsere Selbstverständlichkeit wieder, mit der wir Ressourcen verschwenden. Selbst die Muße den Abfall zu trennen, um diesen teilweise zu recyceln, wollen wir uns nicht auferlegen. Denn wie es scheint ist Recycling für unser Privatleben als Option vorbehalten, nicht aber als etwas, das wir als gesellschaftliches Ziel erachten. Der Konsum- und Komfortgedanke wird hochgehalten, und Vernunft als spießig verschrien.
Dabei wäre es insbesondere bei Großveranstaltungen sehr einfach, tonnenweise PET-Flaschen gesondert einzusammeln. Vielleicht mag manch einem dies die Mühe nicht wert sein, weil es im Vergleich zu den jährlichen Müllmengen wenig erscheint, aber vor allem hier wird das Bemühen unserer Gesellschaft deutlich. An Orten wie diesen zeigen sich unsere Prioritäten und das Porträt unserer Gesellschaft.
Viele denken, dass der erste Eindruck wichtig ist, aber für eine Zivilisation ist das was bleibt, woran sie gemessen werden kann. Unser Müll ist unsere Visitenkarte, die wir zurücklassen, bevor wir weiter ziehen. Vielleicht ist es nur ein subjektiver Eindruck, aber ich würde mich schämen, einen solchen Eindruck zu hinterlassen. An jedem ist es selbst, zu entscheiden, wie er unsere Visitenkarte einordnen möchte, ob zivilisiert oder als die eines Barbaren, verantwortungsvoll oder als Vandalismus.

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Wir sind so rasch bei der Hand mit Vorurteilen Fremden gegenüber, aber unsere Werte gehen nicht durch Ausländer verloren. Werte entstehen durch unser Handeln. Kultur ist das, was wir leben und nicht nur zuhause, sondern vor allem als Gesellschaft in der Öffentlichkeit.
Bevor wir über andere richten sollten, haben wir noch viel Dreck vor unserer eigenen Haustür, den wir beseitigen müssen.

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Armut als Problem der Verhandlungsmacht

Ein sehr großes Problem der Armut ist die sehr geringe Verhandlungsmacht.

Dieses Problem kommt auch immer dann zum Tragen, wenn in wohlhabenderen Ländern versucht wird Armut mit dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit aufrecht zu halten. Hier werden die Armen gegen die Ärmsten ausgespielt. Es heißt: „Friss oder stirb.“

Abermals kann die Grenznutzenfunktion als eine Erklärungs­grundlage herangezogen werden. Je geringer das Einkommen ist, sprich umso ärmer man ist, um so größer ist der Grenznutzen einer zusätzlichen Einkommenseinheit. Für jeden wird der Gewinn solange maximiert, wie der Grenznutzen höher ist, als die Grenzkosten. Je ärmer man ist, umso existenz­gefährdender ist der Verzicht auf zusätzliches Einkommen und umso höhere Unkosten in Form von Risiken, Komfort- und Gesundheitseinbußen sowie von Arbeitsleistung ist man bereit für 1 € auf sich zu nehmen.

Es kann leicht mit dem Verkauf von Wasser verglichen werden. Wenn sie in einer Stadt Wasser verkaufen, wird der Kunde nur einen geringen Preis zu zahlen bereit sein. Ist der Preis zu hoch, geht der Kunde zur Konkurrenz. Wenn sie aber in der Wüste einen halb Verdursteten finden, der 2 000 € bei sich trägt, dann wird er ihnen diese bereitwillig für 100 ml Wasser geben, weil er die Wahl zwischen dem Verzicht auf 2 000 € oder seinem Leben hat. Man kann sich nun vorstellen, dass es schwierig ist, mit dem Verkauf von Wasser in einer Stadt reich zu werden. Ebenso wird man nicht reich, wenn man in der Wüste auf Menschen wartet, die sich ohne ausreichend Proviant verirrt haben. Um richtig reich zu werden, müsste man ein System schaffen, in denen viele in der Wüste ohne Wasser abgesetzt werden – dann wird man reich, weil die Armen werden einem alles geben, wenn kein Geld, dann eben Arbeitsleitung. Ein solches System des „freiwilligen“ Zwanges haben wir geschaffen, in dem wird für Chancenungleichheit sorgen und denen, denen wir die Chance auf Wasser vorenthalten, wohlwollend zulächeln: „dann strengt euch mal an.“

Die Verhandlungsmacht ist nahezu null – es bliebe nur Revolution – denn eine echte Wahl gibt es nicht. Indirekt wird innerhalb des ärmeren Teils der Gesellschaft jeder gegen jeden ausgespielt. Wenn einer gegen das System aufbegehrt, wird ihm seine Existenz­grundlage, und damit das Recht auf Leben entzogen, weil ein anderer allzu gerne bereitwillig für den geringen Nutzen die enormen Unkosten akzeptiert.

Aber auch durch einen anderen Effekt wird die Verhandlungs­macht ausgehebelt, denn jemand der morgens nicht weiß wie er bis zum Abend überleben und halbwegs satt werden soll, hat andere Sorgen als für seine Rechte zu kämpfen oder auch nur darüber nachzudenken, das er etwas an seiner Situation überdenken und nachverhandeln soll. Er kämpft jeden Tag aufs Neue den aufzehrenden Kampf gegen den Hungertod und dabei tritt er als unerbittlicher Konkurrent gegen jene an, die etwas weniger arm sind und zerstört jenen somit jede Grundlage zu einer Verhandlung, um deren Situation zu verbessern. Die Römer und Ägypter waren so ehrlich und haben Sklaven, die sich gegen systematische Ausbeutung erhoben haben, getötet. Wir lassen sie sterben und sagen, das sei die effizienzfördernde Macht des Kapitalismus gegen die man nichts tun dürfte, und schließlich ist es ja auch deren eigene Wahl, dass sie gestorben sind – hätten sie sich doch einfach einmal angestrengt und etwas besonderes getan, gelernt, Technologien weiter entwickelt. Aber nein, dieses Recht haben wir ihnen vorenthalten, denn ansonsten hätte sich die effizienzsteigernde Macht des Kapitalismus gegen uns gewendet, und dann wären unsere gut bezahlten Arbeitsplätze bedroht – und das wäre schlicht unfair, denn wir sind reich!

Würde man nun als kleines Kind einer armen Familie den Entschluss fassen alles zu tun, um dem Schicksal der Familie zu entgehen, dann wird allzu oft die Verhandlungsmacht bereits hier gebrochen, weil man dazu verpflichtet wird für sein eigenes Überleben einzustehen, und man muss darauf verzichten, seine Potenziale zu nutzen und sich, wie im kapitalistischen System angedacht, eine Verhandlungsmacht zu schaffen. Auf diese Weise sorgt die geringe Verhandlungsmacht dafür, dass die Chancen­un­gleich­heit selbstverstärkend ist.

Dieses Extrem ist vor allem bei extremer Armut stark ausgeprägt und hier sind es vor allem die Sorgen eines jeden einzelnen, die dafür verantwortlich sind, dass es nicht zu einem kollektiven Aufstand kommt. Je weniger arm die Menschen sind, umso eher ist sie bereit über ihr Schicksal nachzudenken, und dieses nicht hinzunehmen und sich mit Gleichgesinnten zusammen zu tun. Hierfür gibt es einige Faktoren, die wichtig sind, damit die Situation stabil bleiben kann. Es muss das Bewusstsein bestehen, dass es eine breite Masse gibt, die sich in einer vergleichbaren Situation befindet und dies für eine lange Zeit, sodass es als normal angesehen wird. Rutscht dagegen ein Kollektiv, das sich durch einige Eigenschaften abgrenzen lässt, gemeinsam wirtschaftlich ab, entsteht viel eher ein Anreiz aufständig zu werden – weil es nicht mehr normal ist.

Ferner ist es wichtig, dass ärmere Gruppen den Blick nicht zu sehr nach oben richten und es ungerecht finden, nicht reicher zu sein. Vielmehr sollte – im Sinne der Reichen – der Ärmere den Blick nach unten richten und hier sehen, dass von den Reichen eine Wand für sie errichtet worden ist, die sie davor bewahrt weiter abzusteigen.

Die Angst wiederum, dass dies geschehen könnte, wenn jemand zu sehr aufbegehrt, muss aber bestehen bleiben. Angst ist sehr wichtig im System. Angst genug damit nicht aufbegehrt wird und nicht zu viel Angst, damit es nicht zur Panik und daraus zu einem Aufstand kommt.

Angst ist letztlich das, das die Verhandlungsmacht herunter setzt – denn wo kein Kläger, da kein Angeklagter.

Geldkreislauf

Unser Geldkreislauf ist eines der wichtigsten Elemente in unserer Gesellschaft, denn es ist der Grundstein auf dem fast alles aufbaut. Es berührt fast alle unsere Handlungen. An- und fürsich ist Geld nicht schlecht, weil es lediglich ein Tauschmittel ist. Obwohl der Kapitalismus durchaus komplex ist, ist das Prinzip des Geldkreislaufes so einfach, dass jedes dreijährige Kind, das in der Lage ist, einen Kreis zu malen, es verstehen kann.

Das Geld muss rollen. Mit der ungeschriebenen Regel, dass Geld zu Geld kommt, haben wir den Geldkreislauf parodiert. Durch Zinsen, Machtmissbrauch, gesellschaftlich destruktiven Lobbyismus, Korruption und Protektionismus schöpft die finanzielle Elite kontinuierlich Geld aus dem Kreislauf ab. Dadurch dünnt sich der Geldkreis aus und selbst wenn alle Menschen hart arbeiten, kommt immer weniger Geld bei ihnen an. Irgendwann würde der Geldkreislauf zum Erliegen kommen, oder immer mehr Menschen ausgrenzen, sodass sich immer mehr Menschen einfach ausbeuten lassen – zu Gunsten der Reichen.
Damit das System scheinbar stabilisiert ist, drucken die Zentralbanken fleissig Geld und pumpen es in den Kreislauf. Das System ändert sich aber nicht, und so fließt das Geld über kurz oder lang erneut zu den Reichen. Wer sagt, dass das normal ist, der sagt auch, dass ein Kreis einen Anfang und ein Ende hat.
Vielleicht sollten in den Zentralbanken und dort wo die Regeln erstellt werden mehr dreijährige Kinder arbeiten, die in der Lage sind einen Kreis zu malen, damit irgendwann unser Geldkreislauf auch wieder ein Geldkreislauf ist.

Armut als Problem der Chancen(un)gleichheit

Für viele ist der Kapitalismus das Allheilmittel für unsere Probleme, unter anderem auch für das der Armut. Mit dem Satz: „Im Kapitalismus kann jeder reich werden“ scheint für viele alles gesagt zu sein. Dementsprechend geringschätzig werden arme Menschen in unseren Denkschemata bewertet. Wer arm ist, ist irgendwie selbst schuld, denn er könnte sein Schicksal ändern.
Die Wahrheit ist aber eine ganz andere. Denn obwohl es Beispiele gibt, die den Satz bestätigen wollen, spiegelt er nicht die Wahrheit des Problems wieder.

Unter den Armen gibt es sehr viele die außergewöhnlich ehrgeizig, kreativ, innovativ und talentiert sind, aber dennoch niemals das Glück haben, sich zu beweisen und den Lohn zu verdienen, der ihnen zu Teil geworden wäre, wenn sie nicht arm gewesen wären. Das ist dann nämlich nicht mehr mit der lapidaren Äußerung: „dann soll er sich mal anstrengen“ abzutun.

Wenn aber die Herkunft eines Menschen, ob nun geographisch oder allein bezüglich der Wohlstandsschicht darüber entscheidet, welchen Ertrag die gleichen qualitativen Voraussetzungen eines Menschen erwirtschaften können, dann haben wir ein Problem bezüglich der Chancengleichheit. Dann hilft es auch nicht, dies zu relativieren, indem behauptet wird, dass war ja schon immer so. Natürlich war es schon immer so, aber wir – beziehungsweise unsere Vorfahren haben sich dagegen aufgelehnt und dafür gekämpft, dass es für sie anders wurde. Das ist der Grund, warum es heute keine „echte“ Monarchie mehr in wohlhabenden Ländern gibt. Denn die Monarchie, aber auch Religionen und deren Amtsträger haben systematisch die Chancengleichheit unterdrückt, um den Wohlstand für Ihresgleichen zu verfestigen.

Jeder der die Chancenungleichheit toleriert, aber keine Monarchie wie in der Vergangenheit dulden würde, stellt sich als etwas Besseres dar. Entweder er ist unbedarft oder er behauptet, ein besserer Mensch, eine Art höheres Wesen zu sein, dem andere Menschen untertan sein müssen. Das ist nicht übertrieben gemeint, sondern der Gedanke ist konsequent zu Ende gedacht.

Die Chancenungleichheit kommt nicht erst dadurch zustande, dass einer für die gleiche Arbeit ein deutlich niedrigeres Gehalt erhält, oder er andere gesundheitliche und sicherheitsrelevanten Gefahren eingehen muss. Die Ungleichheit kommt bereits dann zustande, wenn einem Individuum nicht die gleichen Voraussetzungen geschaffen sind, die es ihm ermöglichen, seine Potenziale soweit zu entwickeln, dass sie ihm dazu dienen können, im kapitalistischen Jetstream so weit aufzusteigen, wie es ihm einerseits möglich ist und es ihm andererseits von sozialem Interesse ist.

Wenn wir argumentieren möchten, dass der Kapitalismus das Armutsproblem dadurch lösen soll, dass jeder für sich ausreichend Wohlstand erlangen kann, in dem er seine Talente nutzt und fleißig ist, dann muss jedem auch die Möglichkeit gegeben sein, sein Talent zu finden und weiter zu entwickeln. Ansonsten kommt die Aussage jener eines Mörders gleich, der behauptet er habe sein Opfer nicht erschossen, dieses wäre nur nicht auf die Seite gesprungen, als die Kugel kam.

Über allen Gesetzen, die wir erstellen, steht im Grunde der Gedanke, dass wir eine Gesellschaft sind, wobei das meist national oder regional beschränkt ist. In den meisten Köpfen ist es das noch heute. Der Grundgedanke, dass wir eine Gesellschaft sind und als solche funktionieren müssen, kommt nicht von ungefähr und es beruht nicht auf der Gleichheit aller Menschen, sondern vor allem auf deren Ungleichheit – auch das wird von vielen nicht verstanden.

Im Prinzip würden wir heute nicht so leben, wenn es keine gesellschaftlichen Strukturen gegeben hätte. Diese sind für jedwege Weiterentwicklung verantwortlich, die über die Nutzung eines Steines als Werkzeug hinausgeht. Selbst die Sprachen, Grundstein aller Kommunikation, sind ein Erbe der Gesellschaften, bei denen es ein kollektives Verständnis der Bedürfnisse gibt, und dieses Wissen von Generation zu Generation weitergegeben und weiterentwickelt worden ist.

Aller Genialität der Menschen zum Trotz, es hätte keine der Erfindungen der letzten zehntausend Jahre gegeben, wenn wir nicht unser gesellschaftliches Wissen in Form von Bildung weiter gegeben hätten. Keiner aus unserer sogenannten politischen Elite und unserer wohlhabenden Schicht hätte seine Macht und sein Vermögen, ohne die Möglichkeit seine Talente zu entfalten und auf das Wissen vorangegangener Generationen zurückzugreifen. Diese Chance versperren wir aber systematisch den armen Menschen und reden uns mit „dann sollen sie sich eben anstrengen“ aus der Verantwortung.

Diese Chancenungleichheit ist aber für die wirtschaftliche Oberschicht nicht ohne Bedeutung. Auf der einen Seite verzichten wir als Gesellschaft auf all das Potenzial, das durch die Chancenungleichheit in Form von ungenutzten Talenten und Tatendrang verkümmert. Auf der anderen Seite bildet diese Talentwüste eine unsichtbare Mauer, die Reich und Arm trennt und diesen Zustand auf Generationen festigt und vor allem den Reichen auch die für ihren Reichtum benötigten billigen Arbeitskräfte zur Verfügung stellt. Eine klassische Win-Lose-Situation im Sinne des Erfinders, aber nicht im Sinne der Gesellschaft.

Dass wir diese Chancenungleichheit bewusst fördern wird dann deutlich, wenn Menschen aus anderen Ländern herkommen und dann gesagt wird, dass diese uns unsere Arbeitsplätze wegnehmen. Dabei können sie uns keine Arbeitsplätze wegnehmen. Es kann nur sein, dass sie für das gleiche Geld produktiver sind als wir – das ist der Grundgedanke des Kapitalismus, an den wir glauben, aber nicht wollen, dass er funktioniert. Wir wollen, dass es Grenzen gibt, die arme Menschen diskriminieren, ihnen den wirtschaftlichen Aufstieg verwehren und uns Rechte zusprechen auf die die Anderen – die Armen – keinen Anspruch haben. Wir wollen Unfairness – aber zu unseren Gunsten.

Darauf gründet die Angst vor Fremden. Diese Angst, dass sie den Anspruch auf die gleichen Rechte fordern. Die Lobbyisten schüren diese Angst, weil sie uns zufrieden stellt, denn so wissen wir, dass es uns besser geht. Uns allen verschafft dies Sklaven, denen wir nur das Nötigste zum Überleben geben müssen – und das ganz ohne Peitsche, das ist der Vorteil unserer heutigen Zivilisation – Sklaverei auf Distanz. Die Römer mussten noch unter den Menschen zweiter und dritter Klasse leben. Wir nicht, wir gehen zu ihnen, um dort unseren Urlaub zu verbringen und erwarten, dort eine heile Welt vorgespielt zu bekommen. Die Römer und Ägypter waren skrupelloser als wir, aber wir sind zynisch und selbstgerecht.

Problematik der Geld-Regel

Die Problematik dieser Regel ist sehr vielschichtig und wirkt sich auf unterschiedliche Weisen aus. Dabei verstärken sich die negativen Wirkungen der unterschiedlichen Effekte untereinander. Die Verschiebung der Regeln weg von den gesellschaftlichen Interessen hin zu den Interessen derer, die das Geld kontrollieren, führt zu Armut und damit zu Chancenungleichheit. Dies wird gesondert betrachtet und deshalb nun hier ausgeklammert.
Ein anderes Problem ist bei der Technik und den Dienstleistung zu sehen. Hier ist es nämlich so, dass diejenigen, die Geld kontrollieren eine bestimmte Palette an Produkten oder Dienstleistungen anbieten. Bezüglich dieser Produkte haben sie Kernkompetenzen aufgebaut und beherrschen diese Märkte. In diesen Märkten müssen und können sie sich gegen bekannte Konkurrenten behaupten, weil sie ihre Kernkompetenzen auf ihrer Seite wissen. Diese Unternehmen sind nicht gezwungen sich oder ihre Produkte neu zu erfinden und sich in neue Märkte vorzuwagen oder den Nutzen, bzw. die Interessen der Kunden immer wieder neu zu hinterfragen. Das ist eine bequeme und kostengünstige Situation, und man kann eigene Innovationen in aller Ruhe mit geringem Budget im Keller vorbereiten und erst in Notsituationen zum Vorschein bringen, dann nämlich, wenn der alte und bekannte Markt zusammen zu brechen droht.
Dafür gibt es gute Beispiele. Etwa RWE, EON und Co, die den Trend der erneuerbaren Energien aussitzen wollten und erst im letzten Moment auf den Zug aufgesprungen sind – als der Zerfall des traditionellen Marktes für Atom- und Kohlekraftwerke unausweichlich war. VW, Audi und Mercedes sind erst nach dem Dieselskandal von VW und dem Erscheinen des neuen Konkurrenten Tesla mit den Elektroautos aus ihren Kellern hervorgestiegen – als die Diskussionen ein Verbot von Verbrennungsmotoren in Aussicht stellten. Davor waren sie nur dabei sich zu beklagen, dass es nicht möglich wäre, schadstoffarme Autos zu bauen und haben ihre Muskel spielen lassen, um die gesetzlichen Anforderungen an die Abgaswerte aufzuweichen. Es wurde lieber Zeit und Geld in Lobbyismus investiert, als innovativ die Chance neuer Märkte zu ergreifen, so wie es andere getan haben. Denn wie heißt es so schön: „Warum in das Weite schweifen, wenn das Gute liegt so nah.“ Hier sind damit die alten Märkte gemeint.
Die Regel des Geldes bringt somit die Problematik hervor, dass neu erwachtes Bewusstsein der Gesellschaft, wie etwa Umweltschutz, Schadstofffreiheit der Produkte oder faire Produktions¬bedingungen ausgeklammert werden können. Etwa dadurch, dass Standards verwässert werden, und jeder Marktteilnehmer gut aussieht, oder dass die Ideen für eine nötige Anschubfinanzierung für neue und wichtige Märkte fallen gelassen werden, oder neue Trends, die Produkte unnötig machen, als umsatzgefährend und damit arbeitsplatzzerstörend dargestellt werden. Diese Diskussionen wurden lebhaft geführt, als Apps dafür sorgten, dass Autos nicht mehr so leer fahren sollten und Taxiunternehmen sich bedroht sahen. Der Trend zu einer nachhaltigen Welt wird in erster Linie durch Lobbyismus gebremst, oder eben durch die Regel des Geldes. Weil Lobbyismus in einer gewissen Weise auf Innovationen eine Monopolstellung einzunehmen versucht und den Wandel bekannter oder anders gesagt überalterter und nicht mehr zeitgemäßer Märkte zu unterbinden versucht. Auf diese Weise wird die Gesellschaft um zusätzlichen Nutzen betrogen, der noch nicht einmal in erster Linie etwas mit Chancenungleichheit oder Armut zu tun haben muss.
Zusammenfassend läuft es darauf hinaus, dass die Geld-Regel innovationshemmend ist, denn sie führt zu einer Kapitalmacht, mit dem Resultat, dass sich nicht der bessere, effizientere oder kundenorientiertere durchsetzt, sondern der Reichere.
In diesem Sinne hat es dann doch wieder etwas mit Chancenungleichheit zu tun.

Lobbyismus und die Regel des Geldes

Beim Lobbyismus und der Regel des Geldes geht es darum, dass derjenige, der viel Geld kontrolliert, auch die Regeln in seinem Interesse beeinflussen kann. Dabei wird er die Regeln so zu verändern versuchen, dass es ihm Vorteile verschafft, die ihm direkt oder indirekt dazu verhelfen, Geld zu erlangen. Auch ist es dazu nicht unbedingt notwendig, dass er viel Geld besitzt oder dieses großzügig in Form von Bestechung verteilt. Direkte Korruption in Form von Geldüberweisungen oder dem Versprechen später einen lukrativen Posten kleiden zu können (ich vermeide hier bewusst Worte wie Arbeitsplatz oder arbeiten) hat es immer gegeben und wird es auch immer geben, aber das ist nicht einmal die Wurzel des Problems.
Lobbyismus ist oftmals deutlich gefährlicher, weil es auf legalem Wege die Interessen unserer Gesellschaft aushebeln kann, und in den meisten Fällen auch tut.
Denn meist wird wirkungsvoller Lobbyismus von Unternehmen bzw. Wirtschaftszweigen durchgeführt, die sich dadurch wirtschaftliche Vorteile versprechen. Das Geld, welches sie dabei in die Waagschale werfen ist der Umsatz, den sie erzielen. Dieser Umsatz, so sagen sie, diene der Gesellschaft, in dem er Arbeitsplätze sichere. Deshalb können Umweltstandards fallen gelassen werden, oder erst gar nicht in Kraft treten. Arbeitsrechte, wie etwa gerechter Lohn werden als schadhaft deklariert oder Steuerzahlungen als unnötig erachtet. Fremde Technologien, die jene veralteten Denkweisen und Kernkompetenzen der etablierten Unternehmen den Markt streitig machen könnten, werden nicht gefördert, verpönt oder gar verboten. Direkt kann das Unternehmen des Lobbyisten Geld verdienen, wenn dessen Produkten Subventionen zugeschrieben werden oder das Unternehmen direkt Aufträge erhält. Indirekt kann Geld verdient werden, indem Konkurrenzprodukte vom Markt ferngehalten werden oder dem Unternehmen Arbeitskräfte billig zur Verfügung gestellt werden. In beiden Fällen verliert der Kapitalismus einen Teil seiner effizienzsteigernden Macht, die ihm immer wieder zugesprochen wird und die diesen letztendlich rechtfertigt. Wenn in den sogenannten freien Markt eingegriffen wird, dann müssten es immer gesellschaftliche Interesse sein, wie etwa soziale Gerechtigkeit oder Umweltschutz, die in einem solchen Falle vertreten würden.
Der Lobbyismus, der aufgrund der finanziellen Strukturen fast ausschließlich von etablierten Unternehmen mit veralteten Denk- und Handlungsweisen ausgeht, weiß dies aber zu umgehen und implementiert Mechanismen, die deren Markt schützen. Es handelt sich demnach in den meisten Fällen um ein Protektorat, das den gesellschaftsorientierten Wandel unterbindet, oder möglichst lange hinauszögert. Die Gesellschaft wird bereits hier auch durch ihr Armutsproblem betrogen, und zum Teil wird auch deshalb ebendieses aufrecht erhalten, weil arme Menschen eine schwache Lobby haben.
Deshalb kann man hier auch Amschel Meyer Rothschild (1773-1855) zitieren, der gesagt hat: „Mich interessiert nicht, wer die Gesetze macht, solange ich das Geld kontrolliere.“ Dieser Satz kommt nicht von ungefähr, denn heute wie früher sind die Ersteller der Regeln dem Geld gehörig.