Liberalisierung der Strommärkte

Mit der Liberalisierung der Strommärkte und der Trennung der Energievermarktung von der Betreibung der Stromnetze sollte der elektrische Strom für die Endkunden günstiger werden. Hierdurch kam viel Bewegung in den Stromsektor, mit neuen und wechselnden Marktteilnehmern. Oft werden erneuerbare Energien als einer der bedeutendsten Störfaktoren dargestellt, doch es zeigt sich, dass vor allem die Anfangszeit nach der Liberalisierung von enormen Preisdifferenzen geprägt war. Dies führte dazu, dass stundenweise der Strompreis an der Börse das 10-fache üblicher Stundenpreise betrug. Der Mittelwert von 2002 bis 2018 liegt bei rund 39 € pro Megawattstunde, doch 2003 erreichte der Strompreis für eine Stunde den Wert von 1719 €/MWh und 2006 sogar 2436 €/MWh.

Strombörse_2002-2018 + Extremwerte_1

Bis 2008 kamen noch Preisspitzen von über 200 €/MWh vor. Erstaunlicherweise seit 2009 nicht mehr. Aber vor 2009 gab es nicht nennenswert viel Einspeisung von erneuerbaren Energien, also kann dies hierfür auch nicht als Ursache für die Preisspitzen herangezogen werden.

Aber seit 2008 kommt es zu einem anderen Phänomen. Es kommt zu negativen Strompreisen an der Börse für die Stundenwerte des jeweils folgenden Tages. Das bedeutet, dass die Stromproduzenten teilweise dafür Geld bezahlen müssen, dass ein anderer elektrischen Strom verbraucht.

2009 gab es gar einen Niedrigpreisrekord bei dem Stundenstrompreis für den folgenden Tag von -500 €/MWh. Dies hat zwei Ursachen. Einerseits den Merit-Order-Effekt, der durch die Einspeisung von erneuerbaren Energien eine neue Variable erhält und fossile Energie verdrängen kann. Anderseits ist aber auch das schlechte Regelverhalten von vielen traditionellen Kraftwerken und hier insbesondere Braunkohlekraftwerken dafür verantwortlich, da sie auch dann Strom produzieren, wenn ausreichend erneuerbare Energien anfallen und eigentlich kein Bedarf mehr besteht – deshalb auch der negative Preis.

Strombörse_2002-2018 + Tendenz_1

Nichtsdestotrotz kommt es auch in den letzten Jahren zu Preisdifferenzen und diese werden wohl auch in Zukunft bestehen bleiben. Auch weil alte sogenannte Grundlastkraftwerke aus dem Markt gedrängt werden, weil sie nicht länger wirtschaftlich betrieben werden können. Wie sich der Strompreis entwickeln wird, ist schwer zu sagen, da es viele Einflüsse gibt. Neben den schwindenden alten Kraftwerken, werden mehr und mehr erneuerbare Energien mit einem volatilen Einspeiseverhalten hinzukommen.

Aber auch verbrauchsseitig ist viel Bewegung zu erwarten. So werden mit dem Ziel der Dekarbonisierung Europas Wärmepumpen und Elektromobilität einen Aufschwung erzielen, wobei Wärmepumpen hauptsächlich im Winter mehr elektrischen Strom beanspruchen und so eine neue saisonale Prägung hervorrufen. Beide letztgenannten Technologien aber auch andere werden dem hier gezeigten Preisanreiz in einem Smart Grid folgen und dafür sorgen, dass der Strom dann genutzt wird, wenn er produziert wird.

Das heißt, je mehr Strom aus erneuerbaren Energien im Netz ist, umso größer werden die Preisdifferenzen und je höher die Preisdifferenzen sind, je schneller wird sich ein Smart Grid durchsetzen und die Preisdifferenzen reduzieren.

Aus diesem Grund analysiere ich im folgenden Video, wie sich die EEX-Börsenpreise für die Stunden des jeweils folgenden Tages entwickelt haben und welcher Anreiz sich hieraus für ein Smart Grid ergeben kann. Anreize der Netzbetreiber und Hebeleffekte von Steuern werde ich dabei aber außer acht lassen.

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Strompreis und Merit-Order-Effekt

Wenn wir elektrische Energie produzieren wollen, dann müssen wir Geld investieren. Einerseits als Investition in Anlagen, andererseits in Wartung und Instandsetzungen. Aber zum Teil auch in die Energie, die wir für die Umwandlung verwenden. Wenn wir die marginale Energieeinheit betrachten, sind die Investition und die Wartung als Fixkosten zu betrachten und eigentlich nur die Energiekosten definieren den Mindestpreis, der gezahlt werden müsste, um kostendeckend eine weitere Energieeinheit zu produzieren.

Daraus ergeben sich schließlich unterschiedliche Mindestpreise pro MWh, je nachdem, welche Energiequelle und welche Technologie mit welchem Wirkungsgrad verwendet wird.

Dies stellt natürlich eine vereinfachte Entscheidungsgrundlage dar. In einem dynamischen Prozess kommen auch andere Faktoren, wie etwa die Betriebsweise der Anlagen zum Tragen, sodass es auch zu Situationen kommt, wo unter diesem Preis dennoch produziert wird.

Addiert man die jeweiligen Leistungen aller Anlagen, die bis zu einem gewissen Preis produzieren wollen, erhält man die Angebotskurve für die Strombörse. In ähnlicher Weise entsteht auch die Nachfragekurve, wobei hier vor allem die Energieversorger den Bedarf ihrer Kunden einkaufen, und verpflichtet sind, deren Bedarf zu decken. Darüber hinaus sind aber auch Speicherkraftwerke als Käufer tätig, die versuchen günstig Strom einzukaufen, und die umso mehr elektrische Energie kaufen, umso günstiger der Preis ist.

Werden die Angebotskurve und die Nachfragekurve übereinandergelegt, so ergibt sich aus dem Schnittpunkt der aktuelle Strompreis. Solche Strompreise werden Beispielsweise für Stundenwerte, Viertelstundenwerte und für unterschiedliche Arten an Regelenergie immer wieder neu ermittelt.

Welchen Einfluss haben erneuerbare Energien?

Bis vor einigen Jahren war dies ein einigermaßen eingespieltes und vorhersehbares Preissystem. In der Nacht war die Stromnachfrage geringer und der Preis dementsprechend niedriger und am Tag war es umgekehrt, mit Preisspitzen am Morgen, am Mittag und am Abend. Dies Angebotsseite hat sich eigentlich kaum geändert. Nachts liefen die Grundlastkraftwerke, tagsüber zusätzlich die Mittellastkraftwerke und während den Bedarfsspitzen haben Speicher- und Spitzenlastkraftwerke den nötigen und teuren Spitzenlaststrom bereitgestellt. In den letzten Jahren haben die erneuerbaren Energien den Strommarkt aber durch den sogenannten Merit-Order-Effekt aufgewühlt.

Erneuerbare Energien, wie Wind- und Solarenergie haben nämlich keine Energiekosten, die beglichen werden müssen, ihre Grenzkosten sind demnach Null. Deshalb verdrängen sie die Produzenten mit fossiler Energie in der Angebotskurve nach hinten. Gleiches gilt auch für subventionierte BHKW und Biogasanlagen, die fix vergütet werden. Diese drängen auf den Strommarkt als hätten sie keine Grenzkosten, obwohl sie Energiekosten, und wenn nur in Form von Opportunitätskosten aufweisen.

Diese Verschiebung der Angebotskurve führt bei unveränderter Nachfragekurve zu einem niedrigeren Strompreis. Die Verschiebung des Schnittpunktes der beiden Kurven, durch Anlagen mit niedrigen Grenzkosten, wird als Merit-Order-Effekt bezeichnet.

Merit-Order-Effekt_1

 

Allerdings ist die Produktion von elektrischer Energie aus Wind- und Solarenergie nicht konstant und deshalb ist der Strompreis stärkeren Schwankungen ausgesetzt, je nachdem ob erneuerbare Energie elektrischen Strom liefert oder nicht.

Insbesondere Solarenergie, die hauptsächlich in den Mittagsstunden Energie liefert, hat dafür gesorgt, dass hier die Preisspitzen wesentlich seltener entstehen, oft genug ist der Strompreis hier sogar niedriger. Dies ist auch eine Auswirkung, die den traditionellen Stromproduzenten zu schaffen macht, weil sie bisher in diesen Stunden einen Großteil ihres Gewinnes einfahren konnten.

Strombedarf_1

Nun kommt es zunehmend zu der Kuriosität, dass der Börsenpreis negativ ist, dass also die Stromproduzenten Geld bezahlen müssen, damit sie elektrischen Strom produzieren dürfen. Das liegt einerseits daran, dass es den Produzenten von erneuerbarer Energie aufgrund der garantierten Einspeisevergütung gleichgültig ist und andererseits insbesondere Kohlekraftwerke nicht schnell genug ihre Leistung drosseln können und unnötigerweise produzieren müssen.

Viele Verfechter der Früher-war-alles-besser-Mentalität sehen das Problem in der Produktion von erneuerbarer Energie, doch die Wahrheit ist, dass die veralteten und unflexiblen Kraftwerke nicht für eine dynamische, saubere und zukunftsorientierte Stromproduktion geeignet sind. Deshalb werden sie auch mittelfristig durch den Merit-Order-Effekt aus dem Strommarkt verdrängt werden.

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Nichtsdestotrotz wird sich auch unsere Stromnachfrage ändern müssen, damit wir vermehrt erneuerbare Energie dann verwenden, wenn sie produziert wird. Wir können diese Aufgabe nicht allein den Speicherkraftwerken überlassen. Nicht nur weil es zu viele Speicherkraftwerke beanspruchen würde und teuer wäre, sondern auch weil es ineffizient ist.

Die Aufgabe der Anpassung der Nachfragekurve, in Bezug auf das Angebot an erneuerbare Energie, wird das sogenannte Smart Grid übernehmen müssen.

Hier noch ein Blog mit Infos zur EEX-Strombörse und weitere Strombörse bezogene Texte der Energieblogger.