Papierverschwendung im Briefkasten

Seit dem Mittelalter hat sich unser Selbstverständnis für Technik mit zunehmender Geschwindigkeit entwickelt. Während lange Zeit die Herstellung und der Konsum materieller Produkte im Fokus standen, sind die letzten dreißig Jahre zunehmend von einer Digitalisierung geprägt. Neben Schattenseiten bringt diese aber auch Vorteile mit sich, die es bei umsichtiger Nutzung erlauben, die Umwelt zu schonen und Zeit zu sparen, die für sinnfreie Produktion und Konsum benötigt würde.

Mit zunehmender Sensibilisierung schaffen es viele ihren Müll zu reduzieren. Sei es durch bewusste Konsumentscheidungen oder die Annahme des Angebots, Rechnungen und bei Interesse gar Werbung per Email zu halten.

Doch eine Bastion der Papierverschwendung bleibt durch politische Entscheidungen für den einzelnen Einwohner uneinnehmbar – der Briefkasten. Trotz Aufkleber trudeln unaufgefordert Werbung, Prospekte oder gar Briefe ein, die zu einem großen Teil direkt im Papierkorb landen.

Dabei ist im Prinzip das Zusenden von Müll verboten, wenn es der Abnehmer nicht wünscht oder nicht vertraglich dazu verpflichtet ist. Doch für den Briefkasten gilt dies nicht, da Lobbyvertreter es schaffen, dass der Gesetzgeber hier eine analoge Entmündigung vornimmt.

Der Staatsapparat als schlechtes Beispiel

Selbst der Staat an sich, mit Hilfe seiner Administrationen, übt sich noch fleissig darin Papier zu drucken und jedem zukommen zu lassen. Dass es Menschen gibt, die darauf angewiesen sind, stelle ich nicht in Abrede und auch für solche, die das Papierformat bevorzugen, möchte ich das nicht widerspenstig machen. Aber mit den allgemein geäußerten Umweltzielen und dem gestiegenen Umweltbewusstsein, finde ich es bedauerlich, dass nicht – einer Demokratie würdig – das Wahlrecht auf analoge Unversehrtheit besteht.

Dabei wird auf vielen Formularen bereits eine Emailadresse abgefragt. Lediglich genutzt wird sie nicht und so werden Subventionen angefragt – selbst für Investitionen in den Umweltschutz und darauf folgen drei Briefe. „Wir haben ihre Anfrage erhalten“, „wir haben es geprüft und für gut empfunden“ und schließlich „Ihr Geld wird bald überwiesen“. Dabei gibt es eine Denkweise die das Papier rechtfertigen würde: Der Datenschutz kann nicht gewahrt bleiben. Nur warum wird die Emailadresse dann abgefragt? Zusätzlich gibt es MyGuichet.lu, wo solche Benachrichtigungen nach Wahl des Adressaten eintrudeln könnten. Auch Rundschreiben könnten hier aufgeführt werden und den Empfänger eine Email zukommen lassen, dass sein virtueller Briefkasten neue Benachrichtigungen aufweist.

Der Staatsapparat als Musterschüler

Bei vielem zeigen staatliche Organe und parastaatliche Unternehmen bereits, dass sie es können. Über MyGuichet ist vieles digital abwickelbar – Gehaltszettel, Bescheinigungen von Krankenkassen und vieles mehr können hier papierlos angefragt und empfangen werden.

Im Prinzip benötigt es längst keiner Papierrundschreiben mehr – einzelne Dokumente in Krisenzeiten könnten als Ausnahme fungieren – und selbst dafür gibt es Lösungen.

Die Listen von Adressen sind über mehrere Schnittstellen mit den Einwohnern verknüpft und hier braucht es auf MyGuichet nur einige Felder, welche Form von Benachrichtigungen digital erhalten werden sollen. Alle die diese Option nicht wählen erhalten weiterhin ihre Papierbriefe mit personalisierter Anschrift.

Kleinvieh macht auch Mist

Nur als Vergleich, damit einem die Ausmaße bewusst werden. Ein Rundschreiben mit einem DIN A4 Blatt Papier in einem Standard-Briefformat, das an alle Haushalte in Luxemburg (ca. 255 000) versendet wird, benötigt insgesamt 2 300 kg an Papier und 1 600 m² an Plastikfolie (Fenster für Adressen). Allein das Papier entspricht 908 Blöcken mit je 500 Blatt DIN A4-Papier. Um das zu rechtfertigen sollte es schon einen gewichtigen Grund geben.

Auswirkungen von Rundschreiben als Brief

Parallelen zu anderen Bereichen

Hausieren wurde verboten, damit Menschen nicht belästigt und über den Tisch gezogen werden. Spammails werden mit aufwändigen Algorithmen herausgefiltert und es ist untersagt Werbung mit Hilfe von Telefonanrufen zu verbreiten. Selbst Banken ist es verboten ohne schriftliche Erlaubnis ihre Kunden zu kontaktieren. Einzig der Briefkasten ist als Einfallstor gesetzlich privilegiert, wohl weil sonst die Wirtschaft geschädigt würde, sollte keiner mehr Dinge kaufen, die er nicht benötigt. Jedes Schreiben was als „Toute boite“ vertrieben wird, ist nichts anderes als legalisierte Spam vor der sich der Empfänger bis auf einen spirituell anmutenden Aufkleber nicht schützen darf.

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Papierlose Büros; Schatten und Chance der Digitalisierung

Der Traum des „papierlosen“ Büros scheint längst ausgeträumt. Die Digitalisierung, die das Papier überflüssig machen sollte, konnte ihr Versprechen nur teilweise einhalten. Die Papierarchive sind heute tatsächlich leerer. Das liegt daran, dass die digitale Speicherung kostengünstiger ist und das Wiederfinden der Dokumente deutlich leichter. Aber genau darin besteht auch ein großes Problem, das sich häufig durch einen höheren Papierbedarf wiederspiegelt.

Man muss seine Papierdokumente nicht mehr aufbewahren, denn sie sind digital verfügbar. Lesen möchte man sie dann doch lieber auf Papier und so druckt man das gleiche Dokument wieder und wieder aus, selbst dann wenn ein Kollege es noch hat. Das Drucken kostet schließlich nichts. Jedenfalls nichts, das wahrgenommen wird.

Auf diese Weise werden an vielen Stellen die zuvor angepriesenen Vorteile der Digitalisierung zunichte gemacht. Im Prinzip kann es nur eine wirksame Maßnahme geben, um gegenzusteuern. Papier muss etwas kosten, und zwar so viel, dass es als Kostenposten in den Unternehmen deutlich wahrgenommen wird und ein Anreiz besteht, konsequent Papier einzusparen. Leider wird viel zu häufig, und viel zu leichtfertig gedruckt.

Durch eine großzügige Papiersteuer, von beispielsweise 0,25 ct/g Primärpapier, könnten zwei Ziele gleichzeitig erreicht werden. Erstens würde der Reiz steigen, Papier einzusparen. Vor allem dort, wo dieses tonnenweise mit bedeutendem Mengenrabatt eingekauft und bedruckt wird. Zweitens könnte dem verbrauchten Papier ein Mehrwert verliehen werden, indem Recyclingpapier vergleichsweise günstiger würde und dessen Nachfrage deutlich steigen würde, vor allem auch im Privatbereich, wo die Steuer dann nicht zu einer Belastung führen würde. Dies würde dazu führen, dass der Recyclinganteil im Papiermarkt steigt sowie auch der Erlös der Recyclingunternehmen.

Es gibt aber auch Bereiche in denen die Digitalisierung ein Teilziel erreicht hat, oder zumindest gute Fortschritte beim Papierkonsum erzielen konnte. So gibt es bei vielen Veranstaltungen oder Verkehrsangeboten die Möglichkeit auf eine Eintritts- oder Fahrkarte zu verzichten und stattdessen einen digitalen Code vorzuzeigen. Viele Zeitschriften und Werbeangebote konzentrieren sich auf den digitalen Markt und können sich dort beliebig vervielfältigen, ohne Papierressourcen zu beanspruchen.

Aber immer noch erhält man viel Papier, das man eigentlich nicht benötigt oder gar als lästig empfindet. Warum haben wir in so vielen Geschäften Kundenkarten, damit diese unsere Daten speichern und bekommen dann dennoch einen Kassenzettel in die Hand gedrückt. Viele lehnen sie ab oder zerknüllen sie und werfen sie unbeachtet weg. Dabei ist es meist noch Thermopapier, das sich nicht recyceln lässt. Es wäre doch einfach, uns an der Datenflut teilhaben zu lassen und mittels Code oder E-Mail online auf unsere Einkäufe blicken zu lassen oder die Zettel nur auf Wunsch zu drucken. Dadurch würde viel Zeit, Geld und Ressourcen gespart werden. Aber wie bei vielem ist unser Handeln nicht von Vernunft geprägt, sondern von Prinzipien, die wir als unveränderlich halten.